- Veröffentlichung:
25.07.2023 - Lesezeit: 7 Minuten
Wie eine UX-Strategie Wert(e) schafft
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran und verändert grundlegend die Art und Weise, wie wir arbeiten, kommunizieren und interagieren. Doch trotz der scheinbaren Abkehr vom Menschen spielt dieser eine entscheidende Rolle. Die User Experience (UX) ermöglicht es, seine einzigartigen Fähigkeiten und Soft Skills dort einzusetzen, wo Computer und Algorithmen an ihre Grenzen stoßen.
Im Kontext von KI und Digitalisierung gewinnt die Entwicklung einer fundierten UX-Strategie zunehmend an Bedeutung. Eine gut durchdachte UX-Strategie ermöglicht es Unternehmen, den Wert ihrer digitalen Produkte und Dienstleistungen zu steigern und gleichzeitig die Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer zu erfüllen.
Begleiten Sie uns auf dieser Reise, um zu verstehen, wie eine gezielte UX-Strategie den Wert Ihrer digitalen Produkte und Dienstleistungen steigern kann.
Die Bedeutung einer UX-Strategie im digitalen Zeitalter
Auch wenn wir in Deutschland immer noch nicht als Vorbild für die Digitalisierung gelten – sie schreitet dennoch unaufhaltsam voran. Immer mehr Aufgaben und Prozesse werden in softwareunterstützten Lösungen abgebildet und teil- oder gar vollautomatisiert umgesetzt. Zuvor manuell durchgeführte Aufgaben werden nun von Computern übernommen. Autos und Maschinen werden vernetzt und kommunizieren ohne menschliche Schnittstellen untereinander. Fast scheint es, der Mensch wird im Zuge der Digitalisierung zum Nebendarsteller.
Bei genauerer Betrachtung verhält es sich jedoch ganz anders: Ursprünglich wurden Computer entwickelt, um monotone und repetitive Aufgaben für den Menschen zu übernehmen. Ähnlich sieht es der Wirtschaftskolumnist und Management-Experte Reinhard Sprenger:
„Digitalisierung bedeutet in ihrem Kern eben keine Technikrevolution, gerade nicht die Macht der Maschinen und die Herrschaft der Algorithmen. Sondern Konzentration auf das Wesentliche, was nur Menschen leisten können:
die Wiedereinführung des Kunden, die Wiedereinführung der Kooperation, die Wiedereinführung der Kreativität.
Das sind die drei Ks, und jedes einzelne dieser drei Ks hat die Kraft, Ihr Unternehmen radikal zu transformieren.“
(Reinhard Sprenger, Was Manager im digitalen Zeitalter fokussieren sollten)
Aktuelle Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz und Machine-Learning, in denen Software für Aufgaben eingesetzt wird, die ein Mensch zeitlich, körperlich und intellektuell nicht mehr leisten kann, sind zwar nicht zu vernachlässigen, stecken aber gemessen an ihren schier unüberschaubaren Möglichkeiten immer noch in den Kinderschuhen. Bisher konnte jede KI nur so gut sein wie ihr menschlicher Lehrmeister, die manuell ausgewählten Trainingsdaten oder die vom Entwickler zu Grunde gelegten Modelle.
KI-Tools wie z. B. ChatGPT lassen bereits erahnen, wozu künstliche Intelligenz in der Zukunft in der Lage sein könnte. Allerdings macht sie aktuell noch zu viele Fehler und kann daher einen Menschen noch nicht gänzlich ersetzen, sondern lediglich ergänzen. Die daher im Zusammenspiel aus Mensch und KI nötige optimale User Experience für die Nutzer muss daher von Anfang an in den Fokus der Entwicklung rücken. Durch eine zukunftsgerichtete UX-Strategie lässt sich der Einsatz von KI-Unterstützung langfristig und nachhaltig denken.
UX versus UI und Usability
Der Mensch steht auch in der digitalisierten Welt im Mittelpunkt. Er ist dabei nicht nur der Mittelpunkt jeder Entwicklung, sondern auch Mittelpunkt jedes Entwickelten. Genau diese holistische Menschzentrierung ist auch Kernaspekt des Akronyms UX hinter dem sich der Begriff „User Experience“ versteckt. Um zu verstehen, was UX eigentlich bedeutet, hilft es zu klären was UX eben nicht ist, aber oft als solche verstanden wird:
These #1: UX ist UI
Ein gängiges Missverständnis: Das Benutzererlebnis ist nicht gleichbedeutend mit dem Design der Benutzeroberfläche (User Interface = UI). Man kann UX nicht auf eine hübsch ausdesignte, modern gestaltete Oberfläche oder gut eingesetzte Farben und Schriftarten reduzieren. Das UI-Design beeinflusst zweifellos das Nutzungserlebnis maßgeblich, aber wenn verwendete Begriffe nicht verstanden werden, wichtige Inhalte in den Untiefen des Menüs versteckt sind, das Produkt letztlich kein existierendes Kundenbedürfnis bedient oder nicht an den Kontext der Nutzung adaptiert ist, ist die schönste Benutzeroberfläche wertlos. UX ist also nicht deckungsgleich mit UI, aber die UI ein zentraler Bestandteil der UX.
Als Anhaltspunkt für die gelungene Gestaltung von User Interfaces gibt es Grundregeln, die ein Designer berücksichtigen sollte, wie zum Beispiel die berühmten Usability Heuristiken für UI-Design nach Nielsen:
- Sichtbarkeit des Systemstatus
- Übereinstimmung von System und Wirklichkeit
- Nutzerkontrolle und Freiheit
- Beständigkeit und Standards
- Fehlervermeidung
- Wiedererkennung statt Erinnerung
- Flexibilität und Effizienz
- Ästhetisches und minimalistisches Design
- Hilfestellung beim Erkennen, Bewerten und Beheben von Fehlern
- Hilfe und Dokumentationen
These #2: UX ist Usability
Das zweite gängige Missverständnis: „Wir gewährleisten eine gute User Experience für unser Produkt, da wir Usability Tests durchführen“. Usability beschreibt nach der DIN EN ISO 9241-11 „das Ausmaß, in dem ein System, ein Produkt oder eine Dienstleistung durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen“. Dafür gilt es nach der folgenden Iso-Norm Nr. 110 folgende sieben Interaktionsprinzipien einzuhalten:
- Angemessenheit für Benutzeraufgaben
- Selbstbeschreibungsfähigkeit
- Erwartungskonformität
- Erlernbarkeit
- Steuerbarkeit
- Robustheit gegenüber Benutzungsfehlern
- Benutzerbindung
Die konsequente Einhaltung dieser Prinzipien und das kontinuierliche Sicherstellen durch Evaluationsstudien mit geeigneten Usability Metriken stellen die Gebrauchstauglichkeit eines Produktes sicher, lassen aber keine Rückschlüsse auf die hedonischen Aspekte zu, also darüber wie gut den Nutzern das Produkt gefällt.
These #3: UX ist Usability + UI
Auch die Kombination der beiden bereits beschriebenen Begriffsfelder aus UI und Usability reicht nicht aus, um das Themenfeld der UX zu beschreiben. User Experience ist mehr als das, insbesondere wenn wir an eine strategische und ganzheitliche Benutzererfahrung denken.
Die Relevanz einer ganzheitlichen UX-Strategie
Zur Definition von User Experience gibt es, ganz deutsch, ebenfalls eine ISO-Norm:
„UX ist die Wahrnehmung und Reaktion einer Person vor, während oder nach der Benutzung eines Produkts. Dazu gehören die Emotionen des Nutzers, die psychologischen und physiologischen Reaktionen, die Erwartungen und das Verhalten. User Experience wird als eine Konsequenz aufgefasst, beeinflusst von der Gestaltung, Funktionalität und Leistungsmerkmalen eines Produktes. Ebenso können auch Vorkenntnisse und Eigenschaften des jeweiligen Nutzers eine Rolle spielen sowie die Markenwahrnehmung oder der Kontext der Nutzung.“
Zusammenfassung nach DIN EN ISO 9241-210
UX ist demnach die Kombination aus Usability, UI, dem Nutzungskontext und entstehender oder erwarteter Emotionen.
User Experience ist das gesamte Benutzererlebnis vor, während und nach der Benutzung.
UX wird stets mit dem Menschen im Mittelpunkt betrachtet und ist daher per se erstmal subjektiv. Das bedeutet, dass eine optimale UX nur erreicht werden kann, wenn man das Produkt iterativ und von Beginn an mit möglichst vielen potenziellen Nutzern evaluiert. Diese Erkenntnisse werden dann auf Basis valider statistischer Verfahren objektiviert und die Produktentwicklung entsprechend daran angepasst.
Des Weiteren ist eine optimale UX immer nur eine Momentaufnahme. Dadurch, dass sich Technik, Wettbewerb und damit auch Nutzererwartungen stetig weiterentwickeln, muss auch die UX eines Produktes fortwährend verbessert werden. Das erfordert eine nachhaltige Etablierung von Rollen und Prozessen in Ihrem Unternehmen, um Produkte mit einer langfristig hohen User Experience entwickeln zu können. Dafür ist eine richtungsweisende UX-Strategie und eine damit verbundene UX-Governance unvermeidbar. Gerade wenn wir an eine Skalierung über viele digitale Produkte und dementsprechend viele beteiligte Entwicklungsteams sprechen.
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Die Illustrationen in diesem Blogbeitrag stammen von https://storyset.com/.